[Kritik von Eden Sophie Rimbach, Werra Rundschau vom 7.11.2023]

Eschwege – Das Junge Theater Eschwege hat das Drama „Alle meine Söhne“ fulminant auf die Bühne im E-Werk gebracht.

Ruhig beginnt Frank Sinatras „Come Fly with Me“ zu spielen, als Bilder von Kriegsflugzeugen auf dem hellen Holz einer Hauswand auftauchen, die von einer Seite zu bröckeln scheint. Als das lockere Gespräch beim Zeitungslesen zwischen Geschäftsmann Joe Keller (Heiko Alsleben) und Nachbarin Claire Bayliss (Teresa Bickert) vom aufgeregten Frank (Jörg Frenzel) unterbrochen wird, erfährt das Publikum, was mit dem ältesten Sohn der Kellers geschehen ist: „Larry wurde am 25. November als vermisst gemeldet.“

Drei Jahre liegt der Tag zurück, von dem Frank bei „Alle meine Söhne“ des Jungen Theaters Eschwege im E-Werk spricht. Im spannenden Familiendrama sind sich längst alle sicher, dass Larrry tot sein muss. Nur Mutter Kate (Angelique Weck) hält Tag für Tag und Nacht für Nacht daran fest, dass er wiederkommen wird. Mit blutunterlaufenen Augen und herunterhängendem Haar schildert sie Joe und dem jüngeren Sohn Chris (Luca Schmerbach) lebhaft ihren Traum der letzten Nacht.

Sie deutet neben dem Zerbrechen von Larrys Baum die Rückkehr seiner Verlobten Ann (Cara Hartmann) als Zeichen und ist überzeugt: „Sie weiß, was ich weiß.“ Währenddessen hat Chris seinem Vater den wahren Grund für Anns Rückkehr offenbart. Er will sie heiraten. Vater Joe, der lange das Bild des erfolgreichen Geschäftsmannes und stolzen Vaters aufrechterhält, wird Chris gegenüber plötzlich ganz ernst. Er weiß, dass Ann in den Augen seiner Frau „Larrys Mädchen“ ist. Wenn Chris sie heiraten würde, bedeute das: „Dann erklärst du ihn für tot.“

Viel Empathie für jede Figur
Dem Ensemble gelingt es mit viel Empathie für jede Figur und einer großartigen Dynamik, eine Familie und eine Nachbarschaft auf die Bühne zu bringen, in der der knapp zurückliegende Zweite Weltkrieg deutliche Spuren hinterlassen hat. Das reicht vom für Nachbarin Lydia (Anne-Rike Preiß) selbst unerwarteten Verlauf ihres Lebens über Sue Bayliss’ (Barbara Hoefel) wahren Blick auf die Kellers bis hin zu dem, was Ann und ihr Bruder George (Charlotte Kemmsies) vorfinden, als sie in ihre Heimat zurückkehren.

So wirkt Ann wie herausgeworfen aus ihrer Kindheit und einer Welt, in der sie Larry geheiratet hätte. Mit Joe teilt sie: „Das Letzte, was mir von hier in Erinnerung geblieben ist, ist ein Wort: Mörder.“ Auch Chris, der immer das Gute in den Menschen zu sehen scheint, wirkt im Verlauf des Dramas verändert und entgegnet seinem Vater: „Ich bin zu lange ein zu braver Sohn gewesen, ein gutmütiger Trottel!“

Als Zuschauer erlebt man, wie sich die Schuld im Hintergrund ihren Weg frisst, spürt in einer der intensiven Szenen gleichzeitig die Wut des einen und die steigende Nervosität desjenigen, der diesen Hass abbekommt. Sichtlich begeistert waren die Zuschauer im voll besetzten E-Werk. Nach der Premiere am Samstag erreichte die Schauspieler und Regisseurin Karin Perels sehr viel Lob. Eine Besucherin war sich sicher: „So etwas findet man in keiner Großstadt.“ Das Familiendrama geht mit starken Szenen unter die Haut, liefert erdrückende Spannung.

Zu sehen ist es am Freitag, 10., und Samstag, 11., ab 20 Uhr sowie am Sonntag, 12. November, ab 18 Uhr. Mehr Fotos: werra-rundschau.de

Die Schuld frisst sich ihren Weg

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